Eckpunkte der Föderalismusreform

Veröffentlicht am 05.07.2006 in Service

Nach jahrelanger Vorbereitung steht mit der Föderalismusreform die größte Verfassungsreform seit Inkrafttreten des Grundgesetzes bevor.

Die Reform regelt insbesondere vier Bereiche des Grundgesetzes
neu:
1. die Gesetzgebungskompetenzen
2. die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen
3. die Finanzen
4. die Europafähigkeit
A Die einzelnen Reformbereiche
A.1 Die Gesetzgebungskompetenzen
Bund und Länder erhalten ihre Befugnis zur Gesetzgebung nach dem Grundgesetz.
Es gibt bisher im Wesentlichen drei Arten von Gesetzgebungskompetenzen:
 die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Artikel 71, 73 GG
 konkurrierende Gesetzgebung nach Artikel 72 GG und 74 GG
 die Rahmengesetzgebung nach Artikel 75 GG in Verbindung mit Artikel 72 GG
A.1.1 Ausschließliche Gesetzgebung
Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung
nur,wenn sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind.
A.1.2 Konkurrierende Gesetzgebung
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange
und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. In diesen Bereichen
hat der Bund das Recht zur Gesetzgebung, soweit eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung
der Länder nicht wirkungsvoll geregelt werden kann oder die Regelung in einem Land die Interessen
anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte (Erforderlichkeitsklausel).
A.1.3 Rahmengesetzgebung
Die Rahmengesetzgebung nach Artikel 75 ist ein Sonderfall der konkurrierenden Gesetzgebung. Da-
Willy-Brandt-Haus-Materialien.
Kraft der
Erneuerung.
BERLIN, 29.06.2006
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nach kann der Bund Rahmenvorschriften erlassen, die die Länder ausfüllen müssen. Bei der konkurrierenden
Gesetzgebung haben die Länder also grundsätzlich die Gesetzgebungsbefugnis, solange der
Bund nicht von seiner Befugnis Gebrauch gemacht hat. Tut der Bund dies, kann er dadurch die Befugnis
der Länder zum Erlöschen bringen, die Länder haben diese Möglichkeit nicht. Allerdings sind bestimmte
Voraussetzungen erforderlich, damit der Bund regeln darf. Die wichtigste Voraussetzung ist
auch hier die „Erforderlichkeit“ einer bundeseinheitlichen Regelung.
A.1.4 Die Erforderlichkeitsklausel der konkurrierenden Gestzgebung
und der Rahmengesetzgebung
Dem Bund steht bislang nach Artikel 72 Absatz 2 die Befugnis im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung
(nur) dann zu,wenn ein Bundesgesetz erforderlich ist
 zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder
 zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im Bundesgebiet.
In fünf Urteilen seit 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht bezüglich der Gesetzgebungskompetenz
im Wesentlichen zugunsten der Länder: Altenpflegeurteil (2 BvF 1/01 vom 24. Oktober 2002),
Kampfhundeurteil (1 BvR 1778/01 vom 16.3.2004), Ladenschlussurteil (1 BvR 636/02 vom 9.Juni 2004),
Urteil über die Juniorprofessur (2 BvF 2/02 vom 27.7.2004) und das Urteil über die Studiengebühren (2
BvF 1/03 vom 26.1.2005). Alle Urteile sind nachzulesen unter www.bundesverfassungsgericht.de.Nach
Auslegung durch das Gericht ist eine Zuständigkeit des Bundes im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung
nur noch dann gegeben,
 wenn sich die Lebensverhältnisse in den Bundesländern in schwerwiegender Weise auseinander
entwickelt haben,
 wenn eine problematische Rechtszersplitterung droht,
 wenn eine so genannte „sozio-ökonomische Gefahrenlage“ eingetreten ist.
Die Voraussetzungen im Bereich der Rahmengesetzgebung sind noch strenger: im Rahmen des Artikel
75 verbleibt dem Bund fast kein politischer Gestaltungsspielraum mehr (vergleiche dazu das Urteil
über die Juniorprofessur und das Urteil über die Studiengebühren).
Ein besonderes Problem stellt auch das so genannte Altrecht dar. Dies sind Gesetze, die noch vor der Reform
des Artikels 72 Absatz 2 GG im Jahre 1994 geschaffen wurden und nach Artikel 125 a Absatz 2 GG (jetzige
Fassung) nach wie vor gelten. Die Länder können zur Zeit in diesen Bereichen nichts regeln, bis es ihnen
durch ein neues Gesetz gestattet wird. Der Bund kann aufgrund der Reform von 1994 und der gerichtlichen
Auslegung ebenfalls keine wesentlichen Änderungen mehr vornehmen, wenn die „Erforderlichkeit“
i.S.d. Art. 72 II (idF. von 1994) nicht (mehr) gegeben ist (vgl. dazu das Ladenschlussurteil).
A.1.5 Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen
A.1.5.1 Wegfall der Rahmengesetzgebungskompetenz
Die Rahmengesetzgebungskompetenz nach Artikel 75 soll vollständig entfallen.
Alles,was hier geregelt war, wird aufgeteilt auf die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes
oder der Länder oder auf die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis von Bund oder Ländern.
A.1.5.2 Beschränkung der Erforderlichkeitsklausel
Die Erforderlichkeitsklausel des Artikels 72 Absatz 2 wird auf 10 Bereiche aus der konkurrierenden Gesetzgebung
nach Artikel 74 beschränkt (von 32 Bereichen nach den neuen Regelungen; vormals 26).
Die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel entfallen damit zukünftig für wichtige Politikfelder.
Es ist jetzt von Anfang an klar, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat.
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Für diese 22 Bereiche ist in Zukunft keine Erforderlichkeit mehr zu prüfen:
1.Materielles Zivil- und Strafrecht, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs),
die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung, 2. Personenstandswesen, 3.
Vereinsrecht, 4. Flüchtlings- und Vertriebenenrecht, 6. Öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht), 7.
Kriegsfolgenrecht und Wiedergutmachung, 8. Kriegsgräberfürsorge, 9. Arbeitsrecht, einschließlich Betriebsverfassung,
Arbeitsschutz, Arbeitsvermittlung, Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung,
10. Enteignung, 11. Missbrauch wirtschaftlicher Machtstellung, 12. Land- und Forstwirtschaft,
Fischerei, 13. Städtebaulicher Grundstücksverkehr, Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge),
Wohngeldrecht, Altenhilfeschuldenrecht, u.a., 14. Schifffahrt u.Wasserstraßen, Schienenbahnen,
15. Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung, 15. Staatshaftung, 16. Statusrechte
und -pflichten der Beamten (mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung), 17.
Jagdwesen, 18. Naturschutz u. Landschaftspflege, 19. Bodenverteilung, 20. Raumordnung, 21.Wasserhaushalt,
22. Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse.
Damit sind für uns zentrale Bereiche der sozialen Sicherung und der Arbeitsmarktpolitik sowie der Betriebsverfassung
nicht mehr den engen Grenzen der Erforderlichkeit unterworfen. Das Risiko einer
Klage durch die Länder entfällt. Der Bund hat hier eine eindeutige materielle Gesetzgebungskompetenz.
Er kann handeln „bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“.
A.1.6 Ergänzung der konkurrierenden Gesetzgebung
Die konkurrierende Gesetzgebung nach Artikel 74 wurde um sieben Bereiche ergänzt.
Hierzu gehören: 1. Statusrechte für Beamte und Richter (Grundregeln des öffentlichen Dienstes ohne
Laufbahnen, Besoldung u. Versorgung), 2. Jagdwesen, 3. Naturschutz und Landschaftspflege, 4. Bodenverteilung,
5. Raumordnung, 6.Wasserhaushalt, 7. Hochschulzulassung und -abschlüsse (kursiv: Bereiche
mit Abweichungsgesetzgebung).
Der Bund bekommt nunmehr die Gesetzgebungskompetenzen für die Bereiche Naturschutz und Wasserrecht.
Erstmals wird so für den Bund die Möglichkeit geschaffen,ein vollständiges und einheitliches
Umweltgesetzbuch zu entwickeln.
A.1.7 Eine neue Variante der konkurrierenden Gesetzgebung:
das Abweichungsrecht
Für bestimmte Materien wird eine neue Variante der konkurrierenden Gesetzgebung geschaffen: die
sog. Abweichungsgesetzgebung (Artikel 72 Absatz 3 GG). Diese eröffnet den Ländern die Möglichkeit,
in bestimmten Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung und in bestimmten Grenzen durch eigene
Gesetzgebung vom Bundesrecht abzuweichen (s. Art. 72 Abs. 3 GG neu).
Betroffen davon sind das Jagdwesen,der Naturschutz und die Landschaftspflege,die Bodenverteilung,
die Raumordnung, der Wasserhaushalt sowie die Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse. Das
sind also im Wesentlichen die Umweltmaterien der bisherigen Rahmengesetzgebung (neben Hochschulzugang
und -abschlüssen).
Es werden jedoch Kernbereiche festgelegt,in denen die Länder nicht abweichen dürfen.Dies sind stoff- und
anlagenbezogene Regelungen im Wasserrecht, Grundsätze des allgemeinen Naturschutzes, Artenschutzund
Meeresnaturschutz sowie Jagdscheine. Der Bund erhält das Recht, nach abweichenden Regelungen
der Länder erneut ein Bundesgesetz zu schaffen,das das Landesrecht zunächst wieder außer Kraft setzt.
Dabei gelten Spielregeln:
 Es gilt immer das neuere vor dem älteren Recht. Dies ist der Grundsatz der „lex posterior“-Regel.
 Das Bundesgesetz soll erst nach sechs Monaten in Kraft treten, damit die Länder in dieser Zeit entscheiden
können, ob sie von diesem Gesetz wieder abweichen wollen.
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 Durch diese sechsmonatige Frist sollen die Bürger vor kurzfristig wechselnden Rechtsbefehlen geschützt
werden. Für Eilfälle besteht die Möglichkeit mit Zustimmung des Bundesrates ein früheres
In-Kraft-Treten zu bestimmen.
 Es wurden besondere Übergangsfristen festgelegt, wann die Länder das erste Mal von solchen
Bundesgesetzen abweichen können (Artikel 125b). Im Umweltrecht dürfen dies die Länder erst ab
2010, im Hochschulrecht ab 01.08.2008.
A.1.8 Erweiterung der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes
Der Bund erhält sechs weitere Bereiche aus der bisherigen konkurrierenden oder Rahmengesetzgebung
in seine ausschließliche Gesetzgebung nach Artikel 73. Hierzu gehören: Das Melde- und Ausweiswesen,
der Schutz deutschen Kulturguts gegen die Abwanderung ins Ausland, Terrorismusabwehr durch das
Bundeskriminalamt bei länderübergreifender Gefahr (neu!), das Waffen- und Sprengstoffrecht, die Versorgung
von Kriegsbeschädigten sowie die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie.
A.1.9 Erweiterung der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder
Aus den Bereichen der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung werden 14 Regelungsmaterien
in die alleinige, ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder übertragen.
11 kommen aus der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74:
Der Strafvollzug, das Versammlungsrecht, das Heimrecht, das Ladenschlussrecht, das Gaststättenrecht,
Recht über Spielhallen und Schaustellung von Personen, Recht über Messen, Ausstellungen und
Märkte, der landwirtschaftliche Grundstücksverkehr und das Pachtwesen sowie Teile des Wohnungswesens
und das Siedlungs- und Heimstättenwesen, Flurbereinigung, Sport- und Freizeitlärm sowie so
genannter sozialer Lärm.
Zwei Bereiche kommen aus der Rahmengesetzgebung nach Artikel 75:
Das Hochschulrecht mit Ausnahme der Regelung über Zulassung und Abschlüsse und die allgemeinen
Rechtsverhältnisse der Presse.
Die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Artikel 74 a (Besoldung und Versorgung
im Öffentlichen Dienst nach Artikel 74) entfällt.
 Besonders wichtig ist der Bereich des Beamtenrechts. Hierfür sind künftig ausschließlich die Länder
zuständig, einschließlich der Regelungen über Laufbahn, Besoldung und Versorgung von Angehörigen
des Öffentlichen Dienstes der Länder und Gemeinden.
 Die grundlegenden Statusrechte und -pflichten von Beamten und Richtern fallen aber weiterhin
ohne Prüfung der Erforderlichkeit in die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes
(unterliegen allerdings der Zustimmung durch den Bundesrat).
A.2 Senkung der Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze
Wird ein Gesetz vom Bundestag beschlossen, bedarf es der weiteren Mitwirkung des Bundesrates, damit
es zu Stande kommt.Unterschieden wird zwischen Einspruchsgesetzen und Zustimmungsgesetzen.
 Beim Einspruchsgesetz hat der Bundesrat die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen
(Art. 77 Abs. 2) und Einspruch einzulegen (Art. 77 Abs. 3). Dieser kann aber vom Bundestag zurückgewiesen
werden (Art. 77 Abs. 4).
 Ein Zustimmungsgesetz kommt nur zu Stande,wenn der Bundesrat zustimmt.Wann ein solches Gesetz
vorliegt, bestimmt das Grundgesetz nach verschiedenen Normen.Wichtigster Fall ist Art. 84 Abs. 1 (Zustimmungspflicht
bei Regelungen über die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren).
Bisher galt: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, so regeln sie die Einrichtung
der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des
Bundesrates etwas anderes bestimmen.“
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Dem Bundestag wird künftig ermöglicht, auch ohne Zustimmung des Bundesrates Gesetze zu beschließen,
die das Verfahren und den Behördenaufbau bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch
die Länderregeln (Art. 84 Absatz 1 Satz 2). Die Länder können stattdessen von diesen gesetzlichen Vorgaben
abweichen (Abweichungsrecht, Art. 84 Absatz 1 Satz 2).
 Auch hier gilt durch eine Verweisungsregelung der Grundsatz der „lex posterior“ (siehe oben).
 Das Abweichungsrecht greift im Ausnahmefall, wenn ein besonderes Bedürfnis für eine bundeseinheitliche
Regelung besteht. Ein solches Gesetz bedarf dann aber wieder der Zustimmung des
Bundesrates (Art. 84 Absatz 1 Satz 4 und 5).
 Es gilt die sechsmonatige Frist für ein Inkrafttreten des jeweiligen Gesetzes. Für Eilfälle besteht
auch hier – wie beim Art. 72 Abs. 2 GG – die Möglichkeit mit Zustimmung des Bundesrates ein früheres
In-Kraft-Treten zu bestimmen.
Ein Zustimmungsbedürfnis des Bundesrates soll jedoch für den Fall geschaffen werden, das den Ländern
durch das Bundesgesetz erhebliche Kostenfolgen auferlegt werden (Art. 104 a Absatz 4).
Explizit geregelt wird ebenfalls, dass der Bund nicht direkt durch Bundesgesetz den Gemeinden und
Gemeindeverbänden Aufgaben übertragen kann (Artikel 84 Absatz 1 Satz 6 und auch Artikel 85), um
die Kommunen in den Schutz der landesrechtlichen „Konnexitätsregeln“ fallen zu lassen (d.h. die Länder
dürfen den Kommunen nur neue Aufgaben übertragen, wenn deren Finanzierung gesichert ist).
Festgelegt werden auch hier bestimmte Übergangsfristen, wonach festgelegt ist, ab wann die Länder
von Bundesrecht im Sinne des Artikels 84 abweichen können (Art. 125 b Absatz 2)
A.3 Neuregelung der Finanzen
Die grundsätzliche Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern bzw. der Länder
untereinander bleibt einer eigenständigen Reform vorbehalten. Geplant ist aber auch hier ein Abschluss
noch in dieser Legislaturperiode.
Wichtige Einzelregelungen, die die Finanzbeziehungen betreffen,werden aber bereits jetzt geändert.
Grundsätzlich bleiben die meisten Gemeinschaftsaufgaben bestehen (Artikel 91 a fortfolgende), z.B.
Förderung von Agrarstruktur und Küstenschutz. Mischfinanzierungen sollen jedoch soweit möglich
abgebaut werden.
A.3.1 Die Gemeinschaftsaufgaben
Abgeschafft wird die Gemeinschaftsaufgabe des Hochschulbaus (Artikel 91 a), soweit sie nicht in bestimmten
Fällen über Art.91 b noch möglich ist.Die bisher dort verwendeten Bundesmittel werden im Verhältnis
70% zu 30% aufgeteilt.70% der Mittel gehen an die Länder.Diese 70% sind zweckgebunden und bis
2013 betragsmäßig auf 695 Millionen Euro pro Jahr festgelegt. 30% verbleiben beim Bund.Von diesem Teil
sollen Vorhaben von besonderer überregionaler Bedeutung im Hochschulbereich mitfinanziert werden.
Beibehalten wird die Gemeinschaftsaufgabe der Forschungsförderung für Fälle überregionaler Bedeutung
(Artikel 91 b Abs. 1). Noch strittig war dagegen die Frage weiterer Zusammenarbeit im Hochschulbereich.
Hier konnten wir eine unserer zentralen Forderungen durchsetzen. Die Gemeinschaftsaufgabe
wird konkretisiert und weiterentwickelt.
Der Art. 91 b Abs. 1 ermöglicht nun auch die gemeinsame Förderung von „Vorhaben der Wissenschaft
und Forschung an Hochschulen“. Das bedeutet jetzt auch im nicht-investiven Bereich Fördermöglichkeiten
im Bereich der Lehre mit Ziel der Erhöhung der Leistungs- und Ausbildungsfähigkeit der Hochschulen
und somit die Verbesserung der Zulassungsmöglichkeiten und insgesamt die quantitative
Steigerung der Zulassungszahlen an deutschen Hochschulen und der Ausbildungschancen der Studienberechtigten.
Voraussetzung ist die Zustimmung aller Länder; dies war faktisch aber schon bisher
der Fall (siehe das Beispiel Exzellenzinitiative). Auch der Entschließungsantrag verdeutlicht den politiEckpunkte
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schen Willen von Bund und Ländern, für einen Hochschulpakt in den nächsten Jahren auch finanziell
zu kooperieren. Damit wurde ein Weg eröffnet,die Förderung auch für den erwarteten starken Anstieg
der Studierendenzahlen nutzbar zu machen.
Abgeschafft wird die Gemeinschaftsaufgabe der Bildungsplanung (Artikel 91 b). Neu geschaffen wird
stattdessen die Gemeinschaftsaufgabe der Bildungsevaluation und Bildungsberichterstattung. Bund
und Länder können dabei zur Feststellung der Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich und
diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken. Finanziell kompensiert wird auch
der Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung (neben Hochschulbau u.a.) durch den neuen
Artikel 143 c. Ab 2007 bis 2013 stehen den Ländern 19 Millionen Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt
zu. Die Angemessenheit dieses konkreten Betrages ist dann 2013 zu prüfen, gegebenenfalls zu korrigieren
und bis 2019 neu festzusetzen.
A.3.2 Neue Spielregeln bei den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern
Die Möglichkeit des Bundes zur Gewährung von Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen
der Länder und Gemeinden bleibt grundsätzlich bestehen, wird aber überarbeitet. Sie sollen künftig
 nur noch befristet gewährt werden,
 degressiv ausgestaltet sein und
 regelmäßig überprüft werden.
 Völlig ausgeschlossen war nach den Vorstellungen des ersten Entwurfs nach einer Forderung besonders
der starken Länder (“keine Politik des goldenen Zügels“) Finanzhilfen des Bundes bezüglich
aller Materien in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder (Artikel 104 b). Dies betraf
vor allem die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Bildung.
 Hier konnten wir in harten Verhandlungen eine zentrale Veränderung des Gesetzentwurfes erreichen:
Investive Finanzhilfen des Bundes sind dort,wo der Bund Kompetenzen hat,weiterhin zulässig.Mit dieser
Klarstellung und insbesondere mit der Änderung des Artikels 91 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist wegen der
fortbestehenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Hochschulbereich auch die Möglichkeit
eines Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern abgesichert.
Die Länder übernehmen außerdem die Bereiche „sozialer Wohnungsbau“ und „Gemeindeverkehrsfinanzierung“
und erhalten dafür vom Bund nach Art. 143 c erhebliche Kompensationsmittel (bis 2013 bzw.
2019). Künftig bekommen die Länder außerdem das Recht, den Grunderwerbssteuersatz selbst zu bestimmen
(Artikel 105 Absatz 2). Der Solidarpakt II wird im Grundgesetz nunmehr erwähnt (Artikel 143 c
Abs. 3), allerdings nur in dem Sinne, dass die Vereinbarungen aus dem Solidarpakt II unberührt bleiben.
Die Haftungsverteilung zwischen Bund und Ländern gegenüber der Europäischen Union wird klargestellt.
Bislang nicht geregelt war, wer die finanzielle Last zu tragen hat, falls sich die Bundesrepublik
gegenüber der EU ein Fehlverhalten zuschulden kommen ließ, z.B. durch eine nicht rechtzeitige Umsetzung
oder Nichtumsetzung einer EU-Richtlinie und die EU-Kommission deswegen etwa ein Bußgeld
erlässt.Wäre ein solcher Fall einmal eingetreten, hätte die Haftung mangels einer entsprechenden
Regelung gerichtlich geklärt werden müssen.
 Erstmalig wird im Grundgesetz nun eine Regelung eingefügt, die die Haftungsverteilung zwischen
Bund und den Ländern bei legislativem, judikativem oder exekutivem Fehlverhalten gegenüber der
Europäischen Union zum Gegenstand hat (Artikel 104 a Absatz 6).
 Grundsätzlich soll danach die Körperschaft haften, in deren Verantwortungsbereich die Pflichtverletzung
stattgefunden hat.
 Die Ausnahme ist eine Solidarhaftung in bestimmten Fällen, in denen der Bund 15% mitfinanziert.
Die Ländergesamtheit beteiligt sich dann solidarisch mit 35%, 50% tragen die Länder, die die Kosten
verursacht haben.
Eckpunkte der Förderalismusreform Seite 7
Zur Einhaltung des Nationalen Stabilitätspakts wird erstmals eine Beteiligung der Länder an Sanktionszahlungen
der EU eingeführt (Artikel 109 Absatz 5). Bund und Länder tragen diese dann mit 65%
zu 35%,wobei sich die Länder ihren Beitrag nach Einwohnerzahl und nach Verursachung teilen.
A.4 Verbesserung der „Europafähigkeit“ des Grundgesetzes
Neben der eben beschriebenen Risikobeteiligung der Länder gegenüber der Europäischen Union wird
das Verhältnis zur EU und die Befugnis für Verhandlungen in Artikel 23 geregelt. Bislang haben die Länder
praktisch im gesamten Gebiet ihrer ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis die Verhandlungsbefugnis
auf europäischer Ebene. Die Länderbeteiligung bei Verhandlungen auf EU-Ebene wird nun
auf drei Kernkompetenzen der Länder reduziert und verfassungsrechtlich festgeschrieben ( Art. 23 Abs.
6) auf die Gebiete der schulischen Bildung, der Kultur und des Rundfunks, auch weiterhin allerdings in
Abstimmung mit der Bundesregierung.
B Verfahren
Der Gesetzentwurf, der die Föderalismusreform einleitet, ist ein Entwurf zur Änderung verschiedener
Artikel des Grundgesetzes (Bundestagsdrucksache 16/813). Gleichzeitig eingebracht wird ein so genanntes
Artikelgesetz mit 22 Artikeln, das weitere Gesetze ändert (Begleitgesetz). Dieses (Bundestagsdrucksache
16/814) enthält die aufgrund der vorzunehmenden Grundgesetzänderungen notwendigen
Folgeänderungen, Übergangsbestimmungen und die Erlasse von neuen Gesetzen, die ebenfalls
notwendig werden.
Die 1. Lesung im Deutschen Bundestag erfolgte am 10. März. Damit wurde das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren
eingeleitet. Beide Entwürfe wurden parallel auch im Bundesrat eingebracht
und erstmalig beraten. Die 2/3. Lesung im Bundestag ist am 30. Juni. Der Bundesrat entscheidet am
7. Juli. Die Reform ist danach sofort gültig, wenn auch einige darin enthaltene Regelungen erst zu einem
späteren Zeitpunkt in Kraft treten (z. B. beginnen die Kompensationszahlungen gemäß Art. 143 c
GG neu erst zum 1. Januar 2007),
C Schlussbemerkung
Das vordringliche Ziel der Reform des föderalen Systems wird mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag erreicht:
Die Zuständigkeiten zwischen Bundestag und Bundesrat werden deutlich entflochten, für die
Wählerinnen und Wähler wird künftig klarer erkennbar, wer eigentlich für welches Gesetz verantwortlich
ist. Die langen Nächte des Vermittlungsausschusses werden die Ausnahme und nicht mehr
die Regel sein. Viele Gesetze werden nicht länger hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, sondern
in den Parlamenten verhandelt und entschieden. Bundestag und Landtage werden so wieder gestärkt.
Für die Abstimmung am kommenden Freitag haben das Präsidium, der Fraktionsvorstand und die
Fraktion Zustimmung empfohlen.

 

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