Info des Parteivorsitzenden Kurt Beck

Veröffentlicht am 14.03.2008 in Pressemitteilung

12.3.2008

Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe Genossinnen und Genossen,

nach den zumeist sehr erfolgreichen Landtagswahlen in diesem Jahr müssen wir uns darauf einstellen, dass auf längere Sicht fünf Parteien in die meisten Parlamente gewählt werden. Die alten „Lager“, schwarz-gelb und rot-grün, können dadurch oftmals keine eigenen Mehrheiten mehr gewinnen. Unsere Gegner hätten gern, dass die SPD dadurch eingemauert wird, um jede Perspektive für eine Politik der linken Mitte, der solidarischen Mehrheit zu verhindern. Man will erreichen, dass wir nur die Wahl zwischen großen Koalitionen und der Oppositionsrolle haben. Die SPD-Hessen ist die erste im Westen, die dieser Situation ausgesetzt ist.

Im Interesse unserer Ziele – nämlich ein soziales Deutschland zu schaffen, in dem wirtschaftlicher Erfolg, ökologische Vernunft und soziale Gerechtigkeit gleichwertig sind – müssen wir unsere Strategie darauf einstellen.

Das setzt die Frage nach der Partei „Die Linke“ auf die Tagesordnung. Ein emotionales Thema, schließlich ist diese Partei gegen die SPD gebildet worden und die historische Erbin von KPD und SED. Noch immer wissen wir nicht, ob sie inzwischen auf allen ihren Ebenen den Grundwert der Freiheit ohne Wenn und Aber akzeptiert.

Nun stellen sich viele Fragen. Die wichtigsten habe ich gesammelt und will sie hier beantworten:

Worin siehst Du den Grund für das Erstarken der „Linken“ auch in den alten Bundesländern?

„Es gibt große Angst in der Mitte der Gesellschaft vor sozialem Abstieg und es gibt zu wenig Chancen auf sozialen Aufstieg. Die Kanzlerin behauptet, der Aufschwung sei bei allen angekommen. Das ist nicht so. Eine Partei, die allen Alles verspricht, ohne Verantwortung zu übernehmen, erscheint da manchem interessant.
Wir müssen dem mit unserer Politik begegnen, die 1 Mio. Arbeitsplätze ermöglicht hat. Mit dem Mindestlohn und dem Deutschlandfonds werden wir Lohndumping verhindern und die Menschen am Erfolg beteiligen.“

Warum haben wir es nicht geschafft, die Strömungen in der SPD zusammenzuhalten und zu verhindern, dass eine Partei links von der SPD entsteht?

„Die Partei war ja schon da, es ist die vormalige PDS bzw. SED. Wir haben einen jahrelangen Reformstau in Deutschland aufgelöst, um den Sozialstaat zukunftsfest zu machen. Dafür waren harte und unpopuläre Entscheidungen notwendig. Das ist gelungen. Nicht gelungen ist jedoch, alle Menschen davon zu überzeugen. Die Linkspartei ist mit einfachen Antworten in diese Lücke gestoßen, die in der Realität allerdings keinen Bestand hätten. Deren Rentenpolitik zum Beispiel würde die Beiträge bis zum Jahr 2030 auf 28% hochtreiben.“

Warum macht die SPD einen Unterschied in der Abgrenzung zur Partei Die Linke zwischen Ost- und Westdeutschland?

„Es gibt solche Unterschiede, die sehr viel mit dem Personal dieser Partei zu tun haben. Während sie in Berlin - wie früher in Schwerin und Magdeburg - mithelfen, eine stabile sozialdemokratische Landesregierung zu bilden, zerlegt sich die 6-köpfige Fraktion in Bremen z.B. in verschiedene „Flügel“, die einander erbittert bekämpfen. Wichtig ist mir, dass wir unsere Politik nicht in Abgrenzung zu anderen Parteien definieren, sondern selber wissen, was wir für richtig halten. Dieses Ergebnis des Hamburger Parteitages dürfen wir uns nicht zerreden lassen!“

Ist die Partei der so genannten Linken so schwer zu akzeptieren, weil sie auch aus der Kritik an der SPD hervorgegangen ist?

„Ja, natürlich. Mit Kritik können wir umgehen. Das Problem mit der Linkspartei besteht darin, dass sie es sich so einfach macht. Sie gibt vermeintlich einfache Antworten auf die Probleme der Menschen, obwohl sie selber weiß, dass sie vor der Wirklichkeit nicht bestehen können. Überall dort, wo sie in der Regierung ist, bleibt sie folglich meilenweit von ihren Ankündigungen entfernt. Mit ihren Anträgen im Bundestag wären zum Beispiel Mehrkosten von 154,7 Mrd. € verbunden.“

Wie soll man als Sozialdemokrat und Menschenrechtler mit einer Linken à la Sahra Wagenknecht bei einer Podiumsdiskussion über Demokratie in der Welt einen Konsens erreichen? Wie stellst Du Dir das vor?

„Einen Konsens wird es da sicher auch nicht geben. Gerade deshalb müssen wir uns in der Sache mit dieser Partei kritisch auseinandersetzen. Es ist unmöglich, sich mit dieser Partei gemein zu machen. Und das will auch niemand! NATO-Austritt und Ablehnung des EU-Vertrages würden uns in Europa und weltweit isolieren; mit ihren abenteuerlichen Ausgaben würden die Sozialsysteme ruiniert werden. Deshalb kommt die „Linke“ als Partner im Bund nicht in Betracht.“

Vorausgesetzt, wir kommen an Gesprächen mit der Linken nicht vorbei, wie gehen wir mit ihr um, wenn Oskar Lafontaine noch Mitvorsitzender ist?

„Wir wollen die Linkspartei in der Sache stellen, wie es sich für Demokraten gehört– auch mit Herrn Lafontaine. Aber ein Partner wird er für uns sicher nie mehr werden.“
Vor den Landtagswahlen in Niedersachsen, Hessen und Hamburg hast Du eine Zusammenarbeit mit der Linken abgelehnt. Jetzt heißt es, die SPD begehe Wortbruch. Was kann ich dem entgegenhalten?

„In Hessen hat sich das gesamte Parteiensystem gegenseitig blockiert. Es ist unsere Aufgabe als SPD im Interesse des Landes und unserer Wähler zu handeln. Die CDU und Roland Koch sind mit zweistelligen Verlusten abgewählt worden. Die hessischen Wähler wollen einen Neuanfang – in der Bildungspolitik, der Sozialpolitik und vor allem in der politischen Kultur des Landes. Es ist aufgrund des Wählervotums und der Blockadehaltung insbesondere der FDP bisher nicht möglich, alles genauso zu machen, wie wir es uns vorgenommen haben. In dieser Lage müssen wir der hessischen SPD die Entscheidung überlassen, wie sie für Hessen eine neue, stabile Landesregierung bilden kann. Andrea Ypsilanti hat die Möglichkeiten ausgelotet und wird nun im Landtag die geschäftsführende Restregierung Koch mit sozialdemokratischer Politik stellen.“

Welchen Beitrag kann die Basis leisten, dass die SPD nicht als widersprüchlich wahrgenommen wird?

„ Wir müssen klar und selbstbewusst für unsere Regierungserfolge und die auf unserem Parteitag in Hamburg beschlossene Politik werben. Nur die SPD will und kann wirtschaftlichen Erfolg und ökologische Vernunft mit sozialer Gerechtigkeit verbinden.“

Wenn es neben der CDU/FDP eine linke Mehrheit gibt, sollte sie nicht genutzt werden?

„Die SPD nimmt ihre Verantwortung für unser Land ernst. Deshalb kann es 2009 keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Bundesebene geben. In den Ländern muss diese Frage von Fall zu Fall – mit Blick auf Programm und handelnde Personen der anderen Parteien - abgewogen werden.“

Wo bestehen große Disparitäten? Wo könnte es zu einer Zusammenarbeit kommen? Sind aus Deiner Sicht Unterschiede zu machen zwischen Kommunal-, Landes- oder Bundesebene?

„Die außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen der Linkspartei würden Deutschland international isolieren. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik würde kommenden Generationen einen gigantischen Schuldenberg überlassen. Auf Landes- und Kommunalebene gibt es andere Zuständigkeiten. Ob dort Absprachen oder Koalitionen möglich sind, muss in jedem Land und jeder Kommune entschieden werden.“

Lassen wir uns von den Schwarzen sagen, mit wem wir koalieren dürfen?

„Nein. Ein großer Teil derjenigen, die uns in diesen Wochen mit Kritik überziehen, hätte das aber gerne.“

Liegt es nicht gerade an der SPD, die Linke in das demokratische System einzugliedern und sie durch eine Zusammenarbeit moderater mitzugestalten? Sollte sie nicht so behandelt werden, wie andere sozialistische Parteien in westeuropäischen Ländern?

„ Wir haben kein Interesse daran, dieser Partei zu helfen und sie gar zu stabilisieren. Es macht allerdings auch keinen Sinn, so zu tun, als existiere sie – jedenfalls vorübergehend – nicht.“

Welcher Teufel hat Dich geritten, die Linkspartei-Debatte eine Woche vor der Hamburg-Wahl loszutreten?

„Als SPD-Vorsitzender musste ich der These widersprechen, dass unsere Spitzenkandidatin in Hessen unter keinen Umständen im Landtag kandidieren dürfe. Zu verlangen, dass wir unsere personelle und sachliche Alternative nicht zur Wahl stellen, widerspricht allen parlamentarischen Traditionen. Ich hätte damit rechnen sollen, dass diese Anmerkung in vertraulicher Runde nicht vertraulich bleibt. Diese Irritationen bedaure ich.“

Ist die Geschichte entgegen Deiner Hoffnung nach hinten losgegangen?

„Mit heftigen Diskussionen musste ich in jedem Fall rechnen. Es ist vor dem Hintergrund auch der jüngsten Geschichte für uns nicht leicht, die Partei ‚Die Linke’ als normalen Konkurrenten in Parlamenten zu akzeptieren. Nur darum geht es. Dass wir geradezu auffordern würden, mit ihr zusammen zu arbeiten, ist eine Unterstellung! Die Beurteilung, ob das möglich oder sogar unvermeidlich ist und der SPD nicht schadet, muss von den Verantwortlichen vor Ort getroffen werden.“

Wo steht die SPD in einem Fünf-Parteien-System?

„Wir sind die linke Volkspartei und organisieren die solidarische Mehrheit in Deutschland, die eine offene und gerechte Leistungsgesellschaft anstrebt. Um dieser Ziele willen müssen wir offen sein für diejenigen, die mit uns verlässlich für eine starke Wirtschaft, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit sorgen wollen.“

Welche langfristige (Neu)Orientierung wird im Verhältnis zur Partei die Linke angestrebt?

„Ich erstrebe kein besonderes Verhältnis zu dieser Partei und schon gar kein langfristiges. Sie ist politischer Gegner, wie alle anderen auch. Wir orientieren uns an unseren Grundwerten, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und nicht an anderen Parteien.“

Ihr/Euer
Kurt Beck

 

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